Kapillardruck beschreibt den Druckunterschied zwischen Flüssigkeit und Gas in gekrümmten Menisken. Oberflächenspannung, Kontaktwinkel und Porenradius steuern die Größe.
Kleine Poren erzeugen hohen Kapillardruck und damit eine starke Saugkraft. Hydrophile Oberflächen senken den Kontaktwinkel und erhöhen die Steighöhe. In porösen Baustoffen zieht dieser Druck Wasser in Kapillaren und Poren. So entsteht gerichteter Feuchtetransport gegen die Schwerkraft und entlang von Bauteilgefällen. Salzlösungen folgen denselben Gesetzen und verstärken Schäden.
Bedeutung im Bauwesen
Kapillardruck prägt das Verhalten von Mauerwerk, Putzen sowie Estrichen. Ziegel, Kalksandstein, Naturstein und mineralische Putze besitzen Kapillarsysteme mit variabler Porengeometrie. Unterschiedliche Porenradien verbinden sich zu Netzwerken und erzeugen Sauggefälle. Übergänge zwischen Materialien bilden oft Kapillarbrücken. Falsche Detailausbildung fördert Feuchtepfade und schädigt Oberflächen. Diffusionsvorgänge laufen parallel, jedoch langsamer. Kapillarer Transport dominiert daher viele Schadensbilder.
Typische Schadensmechanismen
Anstehende Bodenfeuchte steigt in Wänden auf und transportiert Salze. Kristallisation erzeugt Kristalldruck und sprengt Putzgefüge. Frost-Tau-Wechsel belastet nasse Zonen und schwächt Oberflächen. Oberflächliche Hydrophobierungen brechen in salzreichen Bereichen häufig auf. Beschichtungen ohne Kapillarität sperren Feuchte ein und verschieben Schäden. Sichtbare Symptome heißen Ausblühungen, Abplatzungen sowie dunkle Feuchtefelder. Messungen von Feuchtegehalt und Leitfähigkeit belegen diese Prozesse.
Konsequenzen für die Bauplanung
Planung vermeidet Kapillarbrücken an Anschlüssen sowie Sockelbereichen. Trennlagen unterbinden aufsteigende Feuchte und schaffen sichere Übergänge. Kapillarbrechende Schichten aus Glasgranulat oder grobkörnigen Mineralien reduzieren Saugwege. Detailpunkte an Balkonplatten, Attiken und Brüstungen benötigen Tropfkanten sowie Gefälle. Bauteile benötigen zudem Rücktrocknungspfade und ausreichende Lüftung. Materialwahl berücksichtigt Porengrößenverteilung, Kontaktwinkel und Sorptionsverhalten. So entsteht ein robustes Feuchtemanagement.
Materialwahl und Sanierung
Kapillaraktive Systeme lenken Feuchte gezielt in verdunstungsfähige Zonen. Kalkputze, NHL-Systeme sowie kapillaraktive Innendämmsysteme begünstigen Rücktrocknung. Sanierputze mit definierter Porosität puffern Salz und entkoppeln Oberflächen. Hydrophobierungen eignen sich nur nach Prüfung von Salzlast und Untergrund. Horizontalsperren unterbrechen aufsteigende Feuchte und stabilisieren Sockelzonen. Entsalzung durch Opferputz reduziert Kristalldruck und schützt Sichtflächen. Jede Maßnahme braucht eine funktionierende Quelle-Abschnitt-Drainage-Strategie.
Restaurierung von Bestandsbauten
Bestandbauten zeigen heterogene Gefüge sowie wechselnde Mörtelqualitäten. Kapillardruck folgt den schwächsten Pfaden und konzentriert Feuchte am Detail. Untersuchungen mit Bohrmehl, Die Darr-Methode und Leitfähigkeitsprofile liefern harte Daten. Thermografie zeigt Verteilungsmuster, jedoch ersetzt sie keine Proben. Sanierung kombiniert Lastreduzierung, kapillare Umlenkung sowie geordnete Verdunstung. Schonende Verfahren erhalten Substanz und vermeiden Spannungsrisse. Dokumentation begleitet jede Phase und sichert Nachvollziehbarkeit.
Rolle der Sachverständigenpraxis
Komplexe Schadensbilder verlangen oft eine objektive Bewertung. Sachverständige quantifizieren Feuchteprofile und bewerten Salzfracht sowie Materialkennwerte. Baubiologische Analytik ergänzt die Diagnose bei Raumklima und Nutzerverhalten. Messreihen über Jahreszyklen erfassen saisonale Kapillardruckschwankungen. So entstehen belastbare Sanierungskonzepte mit klaren Prioritäten.
Praxisregeln für dauerhaft trockene Bauteile
Details trennen kapillare Pfade und sichern gezielte Verdunstung. Materialien arbeiten zusammen und unterstützen Rücktrocknung statt Sperrung. Sockelzonen erhalten robuste Sperren sowie Spritzwasserschutz. Oberflächen bleiben diffusionsoffen, jedoch vor Schlagregen geschützt. Wartung hält Fugen dicht und leitet Wasser kontrolliert ab. Planung, Materialwahl und Instandhaltung greifen ineinander und begrenzen Kapillardruckfolgen nachhaltig.